Der israelitische Friedhof im Johannistal
Auf dem Gelände des Kleingärtnervereins „Johannistal 1832 e.V.“ hat sich in der Zeit von 1814 bis 1937 der älteste jüdische Friedhof der Stadt Leipzig befunden.
Heute existieren nur noch wenige Spuren dieses einstigen Friedhofes. Es sind noch Reste der Umfassungsmauer und der Eingangspforte an der Stephanstraße sichtbar.
Zur Geschichte des Friedhofes sollen folgende Ausführungen Auskunft geben. Ende des 18. Jahrhunderts kamen sehr viele Messfremde nach Leipzig, die meisten aus Polen. Es konnte nicht verhindert werden, dass seit 1710 unter August dem Starken eine neuzeitliche Wiederansiedlung von Juden in der Stadt Leipzig begann. Dabei handelte es sich um sogenannte „Schutzjuden“, welche nach Zahlung einer hohen Personensteuer in Leipzig ansässig werden durften.
Da konnte es nicht ausbleiben, dass auch jüdische Messebesucher und „Schutzjuden“ verstarben und die Bestattung ein sehr schwieriges Unterfangen war, weil es in Leipzig keinen jüdischen Begräbnisplatz gab und die Leichen aus der Stadt gebracht und in anderen Orten mit einem jüdischen Friedhof beigesetzt werden mussten.
1798 wurde erstmals ein Gesuch der Juden an den Leipziger Rat gestellt und darum gebeten, einen eigenen Begräbnisplatz vor den Toren der Stadt zu bekommen. Ende 1813 wurde während der Neujahrsmesse dieses Gesuch durch jüdische Kaufleute aus Polen erneut an den Rat der Stadt gestellt. Der Rat stellte sich ablehnend gegen diese Bitten. Es kam es im Folgejahr zu einem Sinneswandel des Rates, und so wurde am 29. Oktober 1814 ein Konzessionsschein ausgestellt, der bestimmte, dass den Juden im Johannistal (neben dem Pulverturm bei der Sandgrube) eine 1200 Quadratmeter große Fläche als Begräbnisstätte für ihre Glaubensgenossen zur Verfügung gestellt würde. Die Juden erfüllten die Bedingungen, welche sich aus der Konzessionsurkunde ergaben, und es konnte alsbald mit Beerdigungen begonnen werden.
Es führte ein schmaler Weg vom Straßenrand zum Friedhofstor. An diesem Weg wurde ein Brunnen gegraben und mit einer Pumpe versehen, um Wasser für rituelle Waschungen der an Beerdigungen teilnehmenden Personen zur Verfügung zu haben.
Am 28. November 1814 fand die erste Beerdigung statt. Am 5. Februar 1864 wurde der Friedhof geschlossen. Der Grund hierzu ergab sich aus der Tatsache, dass ein sächsisches Gesetz vorschrieb, Leichenhallen auf Friedhöfen zu errichten. Der Leipziger Rat verlangte auch dies von den Vorstehern der Religionsgemeinde. Der Friedhof war fast völlig belegt, und nach dem jüdischen Religionsgesetz durften Gräber nicht ausgehoben, noch mehrfach belegt werden. Aber auch die Erweiterung des Begräbnisortes war nicht möglich und wurde auch nicht genehmigt. Es wurde der Religionsgemeinde ein anderer Ort angeboten, welcher im Jahre 1864 in Besitz genommen wurde.
In den fünfzig Jahren, in welchen der Friedhof im Johannistal genutzt wurde, wurden insgesamt 384 Juden beigesetzt.
Nach 1933 war der jüdische Friedhof den neuen Machthabern ein Dorn im Auge. Am 27. Februar 1937 wurde das Pachtverhältnis mit der Religionsgemeinschaft gekündigt, und somit wurde die Beräumung des Areals gefordert. Es wurde entgegen der Glaubensüberzeugung der Gemeinde und unter schwersten religiösen Bedenken mit der Umbettung der sterblichen Überreste auf den jüdischen Friedhof an der Delitzscher Straße begonnen und Anfang September 1937 zu Ende gebracht.
Noch in der Nazizeit wurde das Areal des jüdischen Friedhofes dem Kleingärtnerverein „Johannistal“ zugesprochen und als Pachtland zu neuen Parzellen umgestaltet.
Der Text wurde unter Zuhilfenahme der Leipziger Blätter 40/2002 (Autor: Josef Reinhold) erstellt.